Wir alle erleben bei der Arbeit und häufig auch im Privatleben eine starke Verdichtung – immer mehr muss oder will erledigt, abgearbeitet, getan werden. Dabei erhöht sich (manchmal unmerklich) der Druck und auch der Stress, so dass wir häufig erschöpft, gereizt oder überfordert sind und das sogar als „normal“ empfinden.
Auch Schmerzen, wie Rücken-, Nacken- oder Kopfschmerzen, plagen uns vielleicht schon länger, aber wir wissen nicht, was wir dagegen tun sollen. Vor allem aber haben wir oft das Gefühl, dass wir an all dem nichts ändern können und gefangen sind in dieser Druckkammer oder diesem Hamsterrad. Wir zweifeln an uns und manchmal verzweifeln wir auch. Dabei ist absolut nichts falsch mit uns.
Stress macht uns krank, wenn er chronisch ist. Wir können nicht vermeiden, dass wir Stress erleben, aber wir können üben, auch mit den Herausforderungen und Katastrophen, die das Leben uns zumutet, konstruktiv umzugehen und nicht darin unterzugehen.
Genau hier setzt die Achtsamkeit an. Anhand praktischer Übungen wird deutlich, dass wir nicht automatisch reagieren müssen, sondern eine Wahl haben. So werden wir freier und haben mehr Handlungsmöglichkeiten. Wir sind nicht mehr ein Spielball der Umstände, sondern gestalten und entscheiden uns bewusster. Auch entwickelt sich ein freundlicherer Umgang mit uns selbst und unseren Grenzen. Denn Achtsamkeit beinhaltet immer auch Offenheit, Mitgefühl und Sanftheit mit uns selbst.
Es erscheint paradox, aber es ist so: Indem wir uns dem Unangenehmen, Störenden stellen und zuwenden, werden wir friedvoller, sanfter und mitfühlender. Indem wir das Unangenehme, Stressige, Störende quasi in uns zum Tee einladen, ändert sich etwas und es wird leichter.
Achtsamkeit kann uns also helfen, nicht mehr nur zu funktionieren, sondern wirklich in unserem Leben anwesend zu sein.
Wenn wir uns der Welt öffnen, dem Leben anvertrauen, wie es ist, dann werden wir nicht weniger verwundbar, wir gehen ein Risiko ein. Aber wir gewinnen auch den Zugang zum unendlichen Reservoir an Lebendigkeit, Ruhe und Lebensfreude, das uns im Grunde immer zur Verfügung steht.
Achtsamkeit und Gesellschaft
Achtsamkeit ist für mich gesellschaftlich höchst relevant, auch wenn sie vielleicht nicht im klassischen Sinne politisch ist. In dieser Zeit, die konsum- und leistungsorientiert ist, sehr materiell, schnell und hochverdichtet und in der die Menschen oft außer sich sind, ist MBSR für mich ein Gegenimpuls, eine alternative Erfahrungsmöglichkeit, die uns zu uns selbst zurückbringt und so vom Persönlichen ins Politisch-Gesellschaftliche wirkt.
Inzwischen wird Achtsamkeit als Marke und Trend öfter auch in Firmen und Betrieben eingesetzt und benutzt, um mehr Produktivität zu erreichen, um im nächsten Atemzug also noch mehr zu fordern. So will ich meine Arbeit nicht verstanden wissen. Vielmehr geht es darum, uns nicht mehr fremdbestimmt zu fühlen, unsere Handlungsmöglichkeiten auszuloten und bewusste Entscheidungen zu treffen.
„Es gehört zur Schönheit dieser Haltung, dass sie von uns keinerlei Tun verlangt, sondern lediglich, dass wir aufmerksam, wach und bewusst sind“
(Jon Kabat-Zinn)
© Kay Puvogel, Bremen 2021. Alle Rechte vorbehalten.
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